Hendrik Meier ist Ende zwanzig und seit 2018 „Night Mayor“ in Mannheim und somit der erste Nachtbürgermeister Deutschlands. Seine Amtszeit endet diesen Juli und er möchte den Stuhl für einen Nachfolger freimachen. Im Interview mit abgehn! erklärt er exklusiv, was ein Nachtbürgermeister eigentlich macht und für welchen Beruf er sich ursprünglich beworben hat. Außerdem verrät er euch, wie es bei der nächsten Party keinen Stress mit den Nachbarn gibt.

 

Hendrik, du bist ja noch Nachtbürgermeister. Da liegt die Vermutung doch nahe, dass du dann auch nachtaktiv bist.

Nur bedingt. Ich arbeite vorwiegend tagsüber, weil die Verwaltung meist sehr früh beginnt. Zwischen 8 und 12 Uhr habe ich Termine mit dem Ordnungsamt, ungefähr so ab Mittag treffe ich mich noch mit Gastronomen, um mich mit ihnen auszutauschen. Außerdem führe ich auch Gespräche mit Anwohnern, sobald diese von der Arbeit kommen. Da ist es dann schon 18 Uhr.

Kannst du kurz erklären, was ein Nachtbürgermeister macht?

Zum einen bin ich Impulsgeber für das Nachtleben. Ich überlege also, was das Nachtleben braucht, hole mir diejenigen Anliegen direkt von den Feiernden und versuche diese in Initiativen  umzusetzen. Außerdem bin ich auch Vermittler. Wenn also jemand eine Bar oder einen Club eröffnen will, weiß ich, wo es aktuell Leerstände gibt. Ich setze mich demnach auch mit Hauseigentümern und Immobilienmaklern auseinander. Und natürlich der streitschlichtende Aspekt: Ich werde in akuten Beschwerdelagen aktiv und versuche dann zu moderieren. Das heißt ich tausche mich mit Anwohnern und Betreibern aus, aber auch mit dem Ordnungsamt und der Polizei.

Wie bist du auf die Idee gekommen Nachtbürgermeister zu werden?

Ich habe meine Masterarbeit bei EventKultur Rhein-Neckar e.V., also dem Verband für Veranstaltungswirtschaft in der Region, geschrieben. Dieser war auch Mitinitiator dieses Jobprofils und ich habe erst recht spät davon mitbekommen, fand das alles aber sehr spannend. Schon immer hat mich Kulturförderung stark interessiert und ich habe auch vorher schon in verschiedenen Kulturzentren gearbeitet. Also habe ich mich kurzerhand beworben und mein Profil hat auch ganz gut gepasst, da ich einen Bachelor in Veranstaltungsmanagement und einen Master in Musik- und Kreativwirtschaft in der Zeit gemacht habe.

Du meintest ja, dass du auch eine streitschlichtende und moderierende Rolle einnimmst. Es gibt einerseits diejenigen, die gerne feiern gehen, auf der anderen Seite gibt es noch die Anwohner, die auch ein Recht auf Ruhe haben. Schließlich sind da noch die Gastronomen, die Umsatz machen wollen. Ist das nicht ein unmöglich zu lösender Konflikt?

Richtig, das ist ein Konfliktfeld, in dem es sehr schwer ist, eine konkrete Lösung zu finden. Ich versuche stattdessen den Parteien auch die Perspektive der anderen aufzuzeigen. Die eigentliche Arbeit, die ich mache, ist den Leuten zu erklären, was Nachtkultur ist und aus welchen Teilen sie besteht. Mittlerweile habe ich fast 100 Streitschlichtungsgespräche geführt und nur von drei Leuten Rückmeldung bekommen, dass der Konflikt noch nicht beigelegt wurde. Und alles andere hat sich fast von alleine geklärt, weil die Leute angefangen haben miteinander zu sprechen.

Du hast ja schon einige Projekte in Angriff genommen, wie zum Beispiel öffentliche Pfandkisten. Welche Themen sollten deiner Meinung nach sonst noch angestoßen werden?

Was ich mir wünschen würde, ist dass sich die Strukturen in der Verwaltung verbessern. Man spricht viel darüber, dass es seit 30 oder 40 Jahren kaum eine Modernisierung bezüglich Genehmigungsverfahren gegeben hat. Es gibt nämlich verschiedene Rubriken: Bars und Gastronomien jeweils mit und ohne Alkoholausschank und viele mehr. Es herrscht oft Unsicherheit unter den Betreibern worunter man denn nun eigentlich fällt. Wenn man eine Diskothek betreiben möchte, gibt es extrem strenge Auflagen, die man erfüllen muss. Die meisten Bars bewegen sich übrigens oft in einer Grauzone. Wenn dort eine Spotify-Playlist abgespielt wird und man nur einen Song herumschiebt, ist das schon aktives Eingreifen in die Musik. Das heißt streng genommen, dass es sich hierbei schon um einen Clubbetrieb handelt. Es wäre interessant eine Mischform einzuführen, also sowas wie einen Bar-Club oder ein Tanz-Café.

Du bist ja stadtbekannt. Wie ist das so im Rampenlicht zu stehen?

Für mich ist es eine sehr interessante Erfahrung, in dieser Position zu sein und auch ab und zu im Rampenlicht zu stehen. Ich werde manchmal beim Bäcker oder bei der Post erkannt. Aber ich empfinde es als überhaupt nicht schlimm. Und wenn es mir dann doch mal zu viel werden sollte, haue ich eben kurz mal aus Mannheim ab.

Wir haben gelesen, dass du „Booker“ bist. Was ist ein Booker und machst du das noch parallel zu deiner Tätigkeit als Nachtbürgermeister?

Als Booker veranstalte ich lokale Konzerte hier in Mannheim. Aber auch Tourneen für Bands, die ich dann exklusiv vertrete. Ich schicke die Bands dann auf Tour durch Deutschland und viele andere Länder. Das mache ich parallel zu meiner Funktion als Nachtbürgermeister, das ist dann doch manchmal etwas anstrengend.

Was wolltest du denn früher zu Schulzeiten werden?

Fluglotse.

Weil man da so viel verdient?

Nein, weil mein Vater das gemacht hat. Ich war früher oft mit ihm im Tower und er hat die Flugzeuge landen und starten lassen. Man sieht durch eine riesige Scheibe über das gesamte Flugfeld und hört die Geräusche der Flugzeugmotoren. Das hat mich schon immer fasziniert, was mich dann motiviert hat, mich als Fluglotse zu bewerben. Eigentlich habe ich auch alle Tests gut  bestanden, nur beim persönlichen Gespräch wurde es etwas witzig. Während einer Frage wollte ich einen Schluck Wasser trinken. Allerdings griff ich komplett an der Tasse vorbei ins Leere. Mein Gegenüber war etwas irritiert von meinem vermeintlich schlechten räumlichen Denkvermögen, dabei lag es nur an der Nervosität. Ich glaube auch nicht, dass das der richtige Beruf für mich gewesen wäre. Als Fluglotse muss man immer zu 100% konzentriert sein.

Der 18. Geburtstag oder Schulabschluss steht an und man will eine Party bei sich zu Hause feiern. Die Vermutung liegt nahe, dass das Probleme mit den Nachbarn geben könnte. Hast du einen Tipp, wie man das am besten einfädelt?

Auf jeden Fall persönlich informieren und nicht nur am Tag der Veranstaltung einen Zettel in den Briefkasten schmeißen. Am besten schon eine oder zwei Wochen vorher mal bei den Nachbarn klingeln oder anklopfen und frühzeitig Bescheid geben. Vielleicht auch die Leute einladen, Ihnen Oropax schenken oder eine Flasche Wein überreichen. Es geht eigentlich immer darum, die Leute mit ins Boot zu holen und es Ihnen sympathisch und menschlich zu erklären.

Vielen Dank für das Interview, Hendrik! //nn