Um genau zu sein, bin ich Diplom-Puppenspielerin.
Richtig, das kann man studieren.
Mein Name ist Helene, ich bin 25 Jahre alt und habe die Kunst des Puppen- und Schauspiels zu meinem Beruf gemacht. Wie ich dazu gekommen bin? Das war ein langer Weg, von dem ich jedoch keinen Moment missen will.
Als ich 2009 mit meinem Abitur fertig war, dachte ich mir: „Und jetzt?“ Für das Thema Theater interessierte ich mich schon länger und machte mich daher auf die Suche nach Möglichkeiten, in dieser Welt Fuß zu fassen. Theaterpädagogik kam mir dann in den Sinn. So kam ich über Umwege zu einem Praktikum in Weinheim bei der freien Gruppe „Theater PassParTu“. Hier blieb ich ein Jahr lang, übernahm Büroaufgaben, eine Regieassistenz und lernte viel über die Dinge, die auf und hinter der Bühne geschehen. Diese Gruppe beschäftigte sich übrigens nicht bloß mit dem puren Schauspiel. Das Puppenspiel spielte dort eine große Rolle, was mich zu meiner Studienwahl inspiriert hat. Ich lernte innerhalb meiner Zeit bei PassParTu welche mir vorher noch unbekannten Theaterformen existieren und wie spannend ich diese empfand. Die Ausdrucksmittel, die neben dem Schauspiel noch da waren, überzeugten mich davon, dass ich selbst spielen und experimentieren wollte, und so zog es mich nach dem Praktikum nach Bochum in das Figurentheater Kolleg. In einem halbjährigen Orientierungskurs sammelte ich Erfahrungen im Puppenbau, Spiel mit unterschiedlichsten Puppenarten, wie zum Beispiel der Handpuppe, und im Maskenspiel.
Das halbe Jahr ging schnell zu Ende und ich landete wieder in Weinheim bzw. Eppingen, wo das Theater PassParTu im Eppinger Figurentheater eine neue Heimat mit eigener Spielstätte gefunden hatte. Nach einem weiteren Praktikum wurde ich an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin für den Studiengang „Zeitgenössische Puppenspielkunst“ angenommen. Die zwei Jahre Grundstudium waren gegliedert in Haupt- und Nebenfächer. Die Hauptfächer wechselten alle sechs Wochen. Das waren Fächer wie Handpuppe, Marionette, Maskenspiel oder ein Fach namens „Hybride Formen“. Bei Letzterem war quasi alles möglich. An sich behandelt das Fach die Vermischung traditioneller und/oder neuer Puppenformen, Objekttheater, Spielweisen und Inhalte. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen trocken, ist es aber ganz und gar nicht – eher total witzig.
Natürlich lernten wir nicht nur Puppenführungs-Techniken. Als Puppenspieler ist man nämlich auch Schauspieler. So bestanden meine Nebenfächer aus den typischen Schauspielkursen wie Sprech-, Sing-, und Körpertraining, Akrobatik oder auch Fechten. Hat man die ersten zwei Jahre hinter sich gebracht, macht man sein Vordiplom. Dieses besteht einerseits aus einem eigenen Stück, d.h. man kümmert sich um alles, worum es sich zu kümmern gilt – man selbst ist für die Konzeption verantwortlich. Außerdem mussten wir über ein Thema unserer Wahl im Theaterkontext eine wissenschaftliche schriftliche Arbeit verfassen.
Das dritte und letzte Jahr wurde dann spezieller. Die Anzahl der Hauptfach-Stunden erhöhte sich und man ging mehr in die Tiefe. Das heißt, wir hatten Fächer wie Animationsfilm, Gestaltungslehre und auch wieder das Fach Puppenbau. Sprechen, Singen und Körpertraining waren natürlich immer noch im Stundenplan vorhanden.
Das Ende des dritten Jahres war für mich jedoch nochmal etwas ganz besonderes. Ich erfuhr, dass im Jungen Nationaltheater Mannheim eine Stelle frei wird und ich ging zum Vorsprechen.
So war ich in meinem vierten Studienjahr schon in Mannheim angestellt. Das Studium in Berlin war dann sozusagen ein Fernstudium für mich. Für ein paar wenige Kurse musste ich immer noch nach Berlin fahren, die meisten wurden jedoch durch Hausarbeiten ersetzt.
Jetzt bin ich fest beim Jungen Nationaltheater „Schnawwl“ in Mannheim angestellt und befinde mich schon in meiner zweiten Spielzeit. Hier am Theater kann ich als Puppen- und Schauspielerin arbeiten und das macht mir total Spaß, da die Arbeit sehr abwechslungsreich ist und ich mich selbst immer wieder neu ausprobieren kann. Man kann durchgehend etwas Neues entdecken und neugierig sein. Selbst langjährige Darsteller erfahren sich selbst immer wieder neu. Ich liebe meinen Beruf. Ich würde es aber auch nicht machen, würde ich es nicht lieben. Denn reich wird man als Schauspieler nicht, aber das ist ja auch nicht alles im Leben.
// jor