Mark, wie bist du zu Deinem Beruf gekommen? War es schon immer dein Wunsch Forensiker bzw. Kriminalbiologe zu werden oder bist du durch einen Zufall über diesen Beruf gestolpert?

„Der Beruf Forensiker existierte damals noch nicht. Es gab nur die Spezialisten vom BKA oder LKA. Das Einzige, was ich in diese Richtung kannte, war Sherlock Holmes; allerdings weiß ich nicht, ob ich das als Kind jemals gelesen habe.

Natürlich bin ich von der Berufsausübung her Kriminalbiologe und Forensiker, aber eigentlich verstehe ich mich selbst nur als Biologe. Damals habe ich begonnen, Biologie zu studieren, weil sie die besseren Partys hatten (lacht).

Ich selbst kannte keinen der studiert hat, also habe ich mich aufs Rad geschwungen und bin zur Uni gefahren. Damals gab es ja auch noch keinen Tag der offenen Tür oder so was. Zum Schluss war ich eingeschrieben für Theaterwissenschaften, Psychologie, Germanistik und Bio. Damals bei einem Magisterstudium war es noch möglich, drei Fächer zu haben. Es gab vorher dann irgendwelche Veranstaltungen. Da hat mir auch keiner gesagt, zu der kannst du oder musst du gehen oder die kannst du dir sparen.

Bei den Germanisten habe ich eine Leseliste bekommen. Ich weiß gar nicht, ob das heute auch noch so ist. Auf der Liste standen 100 deutsche Bücher, die man gelesen haben sollte. Das war mir zu verstaubt und langweilig.

Die Filmwissenschaftler waren total verstrahlt! Das war eine winzige Fakultät und die Veranstaltungen waren erst am Abend.
Bei den Psychologen gab es überhaupt keine Infos und man wusste auch nichts darüber. Das habe ich dann später als Nebenfach im Diplom gehabt.
Die Biologen, die waren da ganz anders. Unter dem Hörsaal gab es eine Hutablage.

Die haben sie zu einem Fachschaftsbüro umgebaut und haben dort vorher Party gemacht. Und so bin ich Biologe geworden. Das waren die Einzigen, bei denen überhaupt etwas passiert ist und man überhaupt mit jemandem reden konnte. Das ist wirklich so gewesen! (lacht).“

Wie würdest du deinen Beruf beschreiben?

„Sehr viel Filtern. Mein Team, wir filtern hauptsächlich, was eine wichtige Information ist und was nicht. Die wichtigsten Informationen sind zunächst mal alles, was man messen kann.
Zu allem anderen kann ich erstmal nichts sagen. Dann, ganz ganz selten, in einem von 50 Fällen, überlegen wir auch mal, ob da was dahintersteckt. Es gibt z.B. ein paar psychische Auffälligkeiten, die mit bestimmten Delikten einhergehen. Aber das ist eigentlich eher selten. Wenn wir das dann bearbeitet haben, gucken wir, ob die Spuren noch verfügbar sind, wo sie liegen und ob man sie eventuell jetzt noch besorgen kann. Vielleicht wurden sie auch bei der Gerichtsverhandlung bereits berücksichtigt. Wenn das der Fall ist, kann man sie eh nicht nochmal verwenden. Das ist in Deutschland sehr schwierig. Lauter solche Sachen.“

Welche Eigenschaften sollte man als angehender Forensiker mitbringen?

„In meinem Bereich, der Kriminalbiologie, ist es das Wichtigste, alles, was man messen kann, strikt von Meinen, Hoffen, Denken, Wollen, Wünschen, Politik, Religion, Kultur und Emotionen, zu trennen. Das spielt alles überhaupt keine Rolle. Wenn du das kannst, dann siehst du das Entscheidende, was die Spurenkunde angeht. Diese Fähigkeit haben viele deswegen nicht, weil sie aus der falschen Motivation den Beruf machen wollen. Also im Grunde genommen ist eine Inselbegabung**perfekt für unseren Job. Es ist aber so, dass die meisten, die in die Kurse kommen, überhaupt keine Speziallisten sind, sondern Leute, die was Spannendes für die gute Seite machen wollen. Aber leider kämpfen wir weder für die Guten, noch ist es spannend. Das ist das Problem.“

Was macht dir an deiner Arbeit als Forensiker am meisten Spaß?

„Du weißt nie, was als nächstes passiert. Es ist immer was Neues.“

 

Welchen Rat würdest du Berufseinsteigern geben, die in Richtung Forensik bzw. Kriminalbiologie gehen wollen?

„Bei Forensik wäre es gut, wenn man vorher schon was können würde. Also sich mit Physik oder Chemie auskennen oder mit irgendeiner Spezialdisziplin – Insektenkunde oder technischen Dingen. Das ist der absolute Hauptmangel bei fast allen Leuten, die in die Forensik gehen wollen.

Das wäre ungefähr so, als würdest du Russisch studieren wollen, aber kein Russisch sprechen und gehst davon aus, dass du es an der Uni lernst. Aber nein, Russisch handelt von russischer Kultur, Literatur, Geschichte und Politik. Nicht davon, dass du Russisch lernst.

Das haben wir auch ganz extrem. Die Meisten kommen wie Kinder, die durch den Nebel wandern, mit freundlichem Lächeln und ihrer Einkaufstasche mit dem Butterbrot drin und glauben, dass sie Kenntnisse links und rechts vom Klee pflücken können.

Man sollte lange vorher schon damit gearbeitet haben. Ich hatte als Kind immer Chemie- und Physikkästen. Habe mir in der Bibliothek und den Buchhandlungen die ganzen Bücher mit vermeintlich ungefährlichen Experimenten durchgelesen. Soweit ich die machen konnte, habe ich sie auch gemacht. Deshalb habe ich jetzt auch ein Kinderbuch geschrieben. Genau wie
ich damals sollen Kinder die Möglichkeit haben, sich mit so etwas auseinander zu setzen. Du kannst nicht 10 oder 15 Jahre nicht gemachte Experimente und Kenntnisse nachholen. Vor allem auch das Querdenken kann man nicht lernen. Entweder man kann es oder man kann es nicht. Das sind so die Voraussetzungen, finde ich. Aber das gilt nur für Freiberufler.
Für Angestellte kann ich nichts sagen. Angestellte haben sicher ganz andere Voraussetzungen.“

Zu guter Letzt: Du hast bereits mehrfach in der Metropolregion Rhein-Neckar Vorträge gehalten. Welchen Bezug hast du persönlich zur Metropolregion Rhein-Neckar?

„Ich bin da dauernd. Ich kenn dort viele Leute und früher habe ich auch für die Polizei – ich glaube in Rheinland-Pfalz – oft Fortbildungen gemacht. Ich gurke ja dauernd durch die Region. Da könnte ich jetzt einen Tag lang drüber erzählen (lacht).“

// snb
*Eine Body Farm ist ein Gelände, bei dem wissenschaftliche Studien zu Verwesungsprozessen von Leichen an freier Luft erfolgen. Insgesamt gibt es weltweit nur noch eine einzige derartige Einrichtung. Sie befindet sich in den Vereinigten Staaten von Amerika.

** Eine Inselbegabung ist ein Talent für bestimmte Gebiete wie z.B. Mathematik, Sprache und Musik. Manche Menschen mit einer Begabung dieser Art sind wahre Genies auf ihren Sektoren. Häufig tritt es bei Autisten auf