Benjamin Heiderich ist ausgebildete Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft. Seine IHK-Abschlussprüfung hat er sogar als Prüfungsbester abgelegt. abgehn! hat sich mit ihm unterhalten und mal nachgefragt, wie man sich genau seinen Beruf vorstellen muss und inwieweit Digitalisierung in seinem Job eine Rolle spielt.

 

Was macht man genau als Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft?

Das Aufgabengebiet einer Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft ist ziemlich breit gefächert. Der Umgang mit Baumaschinen, wie zum Beispiel Radladern und die Reparatur und Wartung von Anlagenteilen gehört ebenso zu den Aufgaben, wie die Analytik von Abfallproben im Labor oder die Erstellung von Entsorgungsangeboten an Kunden.

Grundsätzlich hängen die Aufgaben jedoch von dem Anlagentyp ab, in welchem man arbeitet. Die Aufgaben in einem Kompostwerk sind natürlich anders, als die Aufgaben in einer Wertstoffsortieranlage oder im Deponiebetrieb.

Wieso wolltest du diese Ausbildung machen? Was war deine Motivation?

Mir war es vor allem wichtig, einen zukunftsorientieren Beruf zu lernen, in welchem es vor allem noch umfangreiche berufliche Qualifizierungsmöglichkeiten nach der Ausbildung gibt. Außerdem wollte ich einen außergewöhnlichen Beruf ausüben, welchen man nicht überall findet.

Beim Gedanken mit Müll zu arbeiten, rümpfen einige Leute die Nase. Wie siehst du das?

Nach meinem Praktikum, das ich vor meiner Ausbildung absolvieren konnte, habe ich gemerkt, dass der Umgang und das Arbeiten mit Abfall wesentlich anders sind, als viele Leute glauben. Im Normalfall kommt man mit den Abfällen eigentlich gar nicht in direkte Berührung. Ein Großteil der Arbeiten läuft über verschiedene Baumaschinen, wie Radlader oder Bagger. Die gebotene Schutzausrüstung ist ebenfalls sehr umfangreich.

Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen?

Wichtig ist vor allem ein Interesse an Naturwissenschaften, technisches Verständnis sowie handwerkliches Geschick. Des Weiteren ist es wichtig, mobil zu sein, da fast alle Arbeitsstätten der AVR nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind. Weil man während der Ausbildung auch den Baumaschinenführerschein erlangt, ist das Besitzen des Autoführerscheins unausweichlich.

Wie läuft die Ausbildung als Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft ab?

Dadurch, dass der Aufgabenbereich der Fachkraft sehr breit gefächert ist, durchläuft man während seiner Ausbildung bei der AVR sehr viele Abteilungen und Anlagen. Anfangs ist man vor allem in der Schlosserei der Sortieranlage, in welcher man neben den verfahrenstechnischen Prozessen der Abfallsortierung auch die Grundlagen der Metallverarbeitung lernt. Zudem findet man sich vor allem am Anfang der Ausbildung auf den Abfallanlagen, um die einzelnen Abfälle kennenzulernen und auch den Kontakt mit Kunden zu üben. Im Laufe der Ausbildung ist man dann sowohl im Labor als auch im Büro. Neben der Arbeit im Betrieb ist man natürlich auch noch in der Berufsschule: In diesem Fall ist es die Kerschensteinerschule in Stuttgart. Der Berufsunterricht findet in Schulblöcken statt, welche meist 4 – 5 Wochen dauern. Alle 3 Monate beginnt ein neuer Schulblock, sodass man in jedem Lehrjahr 3 Schulblöcke durchläuft. Im zweiten Schulblock des zweiten Lehrjahres findet dann die Zwischenprüfung statt, in der vor allem die gelernten Grundlagen abgefragt werden. Hierbei gibt es sowohl einen schriftlichen als auch einen praktischen Teil. Nach insgesamt 3 Jahren Ausbildung steht am Ende natürlich noch die Abschlussprüfung an: Auch hier gibt es jeweils einen schriftlichen und einen praktischen Teil. Der praktische Teil der Abschlussprüfung findet, im Gegensatz zur Zwischenprüfung, nicht in der Berufsschule, sondern auf ausgewählten Prüfungsanlagen statt.

Was lernt man in der Berufsschule?

In den ersten Lehrjahren lernt man vor allem verschiedene Grundlagen in den einzelnen Themenfeldern, wie Biologie, Chemie oder Verfahrenstechnik. Erst nach der ersten Hälfte der Ausbildung werden dann explizit einzelne Verfahren zur Abfallaufbereitung, wie Kompostierung oder Vergärung, aber auch zur Abfallbeseitigung, wie die Deponierung oder die Verbrennung, thematisiert. Neben der Abfallbehandlung ist auch die Behandlung von Dingen wie Rauchgasen oder Sickerwasser, welche bei der Abfallbehandlung anfallen, ein wichtiges Thema. Auch die Hygiene und die allgemeine Arbeitssicherheit ist Unterrichtsbestandteil. Dies spiegelt sich auch in Themen wie den Grundlagen des menschlichen Organismus oder dem Explosionsschutz wider.

Benjamin, du hast deine IHK-Abschlussprüfung als Prüfungsbester abgelegt. Wie hast du das geschafft? Was war dein Ansporn?

Eigentlich lag mein Ansporn nur darin, ein gutes Zeugnis zu bekommen, da dies natürlich die Chancen nach der Ausbildung erheblich steigert und auch Vorteile in der weiteren beruflichen Entwicklung mit sich bringt.

Hat sich das Berufsbild bzw. die Anforderungen der Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft in den letzten Jahren verändert? Stichpunkt Digitalisierung.

Die Digitalisierung ist immer noch ein sehr präsentes Thema in der Abfallwirtschaft. Viele Prozesse laufen mittlerweile fast ausschließlich digital ab, wie z.B. die Vorabkontrolle und Überwachung der Entsorgung gefährlicher Abfälle. Aber auch die Anlagen- und Messtechnik entwickelt sich immer weiter, da die Überwachung der korrekten Abfallbehandlung durch strenger werdende Verordnungen hinsichtlich des Umweltschutzes immer wichtiger wird. Ein Beispiel hierfür wäre die Übertragung von Messdaten einer Messeinrichtung direkt zur Leitwarte. Dadurch ist nicht nur die Überwachung und Prüfung der Messwerte wesentlich vereinfacht, auch das Speichern der Messdaten ist ohne großen Aufwand möglich. Aber auch Systeme zum Management  z.B. von Arbeitsmitteln, gesetzlichen Prüfungen und Qualifizierungen oder Gefahrstoffen im Hinblick auf Arbeitsschutz und Umweltmanagement werden durch Softwarelösungen immer relevanter, da hier Arbeitsprozesse und gesetzliche Verpflichtungen wesentlich leichter eingesehen und umgesetzt werden können. Deswegen ist die Digitalisierung und der Umgang mit digitalen Medien für Fachkräfte ein unausweichliches Thema, mit welchem sie natürlich auch während der Ausbildung, sei es im Betrieb oder in der Berufsschule, konfrontiert werden.

Die AVR ist die Abfallverwertungsgesellschaft des Rhein-Neckar-Kreises. Heißt das du arbeitest im öffentlichen Dienst?

Zwar übernimmt die AVR Kommunal GmbH die Aufgaben der hoheitlichen Abfallwirtschaft des Rhein-Neckar-Kreises, dennoch ist sie ein privat-rechtlich organisiertes Unternehmen.

Und zuletzt: Wieviel des Mülls werden tatsächlich wiederverwertet?

Im Gegensatz zur leider immer noch recht stark verbreiteten Ansicht, dass „alles einfach auf einen Haufen kommt“, wird ein Großteil der anfallenden Abfälle wiederverwertet. Im Jahr 2018 betrug die Gesamtmenge an Abfällen der AVR Kommunal GmbH 249.058 Tonnen. Davon wurden 221.947 Tonnen einer stofflichen oder energetischen Verwertung zugeführt, was fast 90 % beträgt. Lediglich die restlichen 10 %, welche sich nur aus mineralischen Abfällen zusammensetzen, wurden auf den Deponien der AVR beseitigt. Benjamin, vielen Dank für das Interview!

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