Interview mit Lisa Maria Otto, der Ballettmeisterin und choreografischen Assistentin des Nationaltheaters Mannheim Tanz unter der Leitung von Stephan Thoss.
Profil
Lisa Maria Otto ist in Toronto, Kanada geboren und aufgewachsen. Mit zehn Jahren hatte sie an der Pacific Northwest Ballet School in den USA ihren ersten professionellen Auftritt als Tänzerin im Stück „Der Nussknacker“. Mit 12 Jahren fasste sie den Entschluss, Karriere machen zu wollen und tanzte mit 15 Jahren bei der renommierten Royal Winnipeg Ballet School vor. Dort machte sie auch ihren Abschluss. Später arbeitete sie bei einem kleinen Ensemble als Ballettmeisterin. Im Jahr 2006 kam sie über Connections für zwei Monate als Gasttänzerin an das Nationaltheater Mannheim. Anschließend bot man ihr aufgrund ihrer Erfahrung als Ballettmeisterin die offene Stelle am Nationaltheater an.
Wir treffen uns zum Interview im Tanzhaus des Nationaltheater Mannheim in Käfertal. Das Tanzhaus wirkt von außen unscheinbar. Es ist Teil einer alten Fabrikhalle aus Ziegelstein. Eine rote Tür verrät den Standort. Das industrielle Flair setzt sich auch im Inneren fort. In einem langen Flur, der als Vorraum dient, sind an der Decke Rohre zu sehen, unverputzte Betonwände, schwere Metalllampen, die von der Decke hängen, Tisch und Bar, hergestellt aus dunklem Echtholz und eine Sitzgelegenheit, die an die Barockzeit erinnert. Am Ende des Flurs befindet sich der Ballettsaal. Lisa Maria Otto begrüßt uns mit einem Lächeln. Ihre Tanzausbildung spiegelt sich in ihrer perfekten Körperhaltung und ihrem anmutigen Gang wieder.
Lisa, wieso wolltest Du Tänzerin werden?
„Meine Tante hat Tanz studiert. Sie hat in den USA gelebt und ich habe sie im Sommer immer besucht und beobachtet. Und irgendwann habe ich zu meiner Mutter gesagt, dass ich auch tanzen möchte.“
Wie würdest du das Gefühl beschreiben auf der Bühne zu stehen und zu tanzen?
„Ich lebe dann einfach in diesem Moment. Zu diesem Zeitpunkt habe ich ein geschärftes Bewusstsein. Ich bin in mich gekehrt, aber gleichzeitig der Leute mit denen ich tanze bewusst. Ich fühle die Musik und kann eine Energie spüren, die vom Publikum ausgeht. Das Publikum hebt das Tanzen auf ein anderes Level. Das Gefühl auf der Bühne ohne Publikum ist ein vollkommen anderes.“
Wieso hast du dich für die Royal Winnipeg Ballet School entschieden?
„Es gibt in Kanada nicht so viele professionelle Ballettschulen. Ich war etwas zu alt für das National Ballett, da ich schon 15 Jahre alt war. In dieser Schule sind das Ballett-Training und die Schule miteinander verknüpft. An der Royal Winnipeg Ballet School war das getrennt. Wenn man einen niedrigeren Ballettkurs benötigt hat, aber im Spitzentanz fortgeschritten war, ist das kein Problem gewesen. Es war individuell – auch für ältere Kinder wie mich. Für das National Ballett war es einfacher, wenn man zehn oder 12 Jahre alt war. Es war kein Problem, die Schule zu besuchen, wenn man älter war, aber es war deutlich schwieriger. Darüber hinaus hat die Royal Winnipeg Ballet School überall Castings veranstaltet, eines auch in der Nähe von Toronto. Deswegen mussten wir damals nicht nach Winnipeg fahren.“
Würdest du sagen, dass Serien wie „The next Step“ und Filme wie „Center Stage“ ein realistisches Bild abgeben?
„Ja, der Alltag an einer professionellen Schule ist hart! Du arbeitest von 9-18 Uhr mit deinem Körper. Manchmal sogar länger – wenn ein Auftritt bevorsteht, auch am Wochenende. In meiner Schule hatte ich zum Beispiel klassisches Ballett, eine kurze Pause und dann Spitzentanz. Anschließend eine weitere kurze Pause und dann vielleicht noch „Pas de deux“, Jazz- oder Volkstanz. Zudem ist man verpflichtet, bis zum 18. Geburtstag eine normale Schule zu besuchen bzw. die Highschool zu Ende zu machen. Das ist aber getrennt von der Ballettschule.“
Welchen Rat hast du für junge Tänzer und Tänzerinnen?
„Das Wichtigste ist es, bei all der harten Arbeit, nie den Spaß und die Erfüllung aus den Augen zu verlieren.“
Welche Eigenschaften braucht man, deiner Meinung nach, um Tänzer zu werden?
„Disziplin. Das ganze Leben besteht aus Training und Bewegung. Man muss immer hart arbeiten. Flexibilität und Muskelkraft sind nicht genug. Es gibt viel Konkurrenz. Man muss sich selbst pushen, über die Schmerzen hinauswachsen. Das erfordert Disziplin. Diese kann man erlernen, am besten so früh wie möglich. Zudem sollte man auch ein Verständnis für Musik und Takt haben. Das wurde mir zum Glück in die Wiege gelegt, denn mein Vater ist Musikprofessor.“
Was genau macht eineBallettmeisterin?
„Normalerweise leite ich das tägliche Training und stehe im Kontakt mit dem Choreograph. Wir besprechen seine Vorstellung. Diese vermittle ich dann an die Tänzer und teile diese entsprechend ein. Zudem fungiere ich als Vermittler zwischen den Chefs und den Tänzern. In meiner vorherigen Anstellung habe ich zusätzlich den Probeplan erstellt, Anprobe mit dem Theater koordiniert und den Choreographen in der Generalprobe mit den künstlerischen und technischen Aspekten unterstützt.“
Zum Schluss noch eine ganz andere Frage: Was gefällt dir an Mannheim?
„Ich habe meinen Mann hier kennengelernt, mit dem ich auch zwei Kinder habe. Mein gesamtes Leben spielt sich jetzt in Mannheim ab. Es ist eine liberale und gepflegte Stadt mit vielen Fassetten. Der Luisenpark ist toll. Es gibt die alten Gebäude der Oststadt und den Jungbusch. Den Wasserturm finde ich sehr schön.“
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