20 / 06 / 2022 | Berufsstart

Auslandsaufenthalt auf den Philippinen

Auslandsaufenthalt auf den Philippinen

Eine tolle Erfahrung und eine prägende Entscheidung

Lena Minich ist 20 Jahre alt und studiert Ökonomik sowie Kultur- und Sozialanthropologie im Zweifachbachelor. Nach ihrem Abitur im Jahr 2019 entschied sie sich zu einem Auslandaufenthalt auf den Philippinen. Wie es dazu kam und welche Erfahrungen sie gemacht hat, erfahrt ihr hier.

abgehn! : Wie kamst du auf die Idee eine solche Fernreise anzutreten und warum wurden es die Philippinen?

Lena: Für mich waren ein Studium oder eine Ausbildung direkt nach Ende der Schulzeit erstmal keine Alternative. Mir war es wichtig, Erfahrungen zu sammeln und etwas Neues kennenzulernen. Über eine Freundin meiner Familie habe ich dann den „weltwärts Freiwilligendienst“ der Bundesregierung kennengelernt, der unter anderem Reisen nach Indien und auf die Philippinen anbietet. Vor allem wegen der interessanten Kultur habe ich mich dann für die Philippinen entscheiden.

abgehn! : Über welche Organisation hast du deine Reise abgewickelt und wie lief das ab?

Lena: Das Ganze lief über das „weltwärts“-Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Um die einzelnen Reisenden kümmern sich kleinere Organisationen oder Stiftungen- in meinem Fall die Karl-Kübel Stiftung Bensheim. Die KKS hat für uns die Flüge gebucht, die VISA-Angelegenheiten geklärt und Unterkünfte organisiert.

Außerdem mussten wir ein paar Vorbereitungsseminare besuchen, in denen wir die Kultur kennengelernt, über die negativen Seiten der Philippinen gesprochen und Lehrstunden über Pädagogik und Unterricht für die Kinder bekommen haben.

abgehn!: Wie sieht es mit der Finanzierung aus? Hat man dir unter die Arme gegriffen?

Lena: Tatsächlich wurden 75 % vom Staat getragen. Die restlichen 25 % zahlen die Organisation und die Reisenden selbst, indem sie Spenden sammeln und das Projekt bewerben. Ich zum Beispiel habe viele Spenden durch einen Kuchenverkauf in der Innenstadt Viernheims bekommen, bei dem ich den Menschen von meiner Reise und den bevorstehenden Erfahrungen erzählen konnte. Aber auch durch Spenden aus dem Familien-und Freundeskreis kam einiges zusammen, wofür ich sehr dankbar bin. So wurde uns ein kleines Taschengeld zur Verfügung gestellt, mit dem wir gut über die Runden kamen.

abgehn!: Wo wart ihr untergebracht?

Lena: Die meiste Zeit haben wir in der Mietwohnung verbracht, die uns die Organisation rausgesucht hat. Die Ausstattung war natürlich nicht gerade luxuriös. Ich habe mir ein Bett mit meiner Freundin geteilt und uns hat so manches Tier einen Besuch abgestattet. Dennoch konnten wir gut leben und es war interessant, sich an die dortigen Standards anzupassen.

abgehn!: Worin lagen deine Aufgaben vor Ort?

Lena: Unsere Aufgabe lag darin, den Kindern in den Schulen dort Nachhilfe zu geben. Besonders mit den sogenannten „Slow Readers“ haben wir viel Zeit verbracht. Das sind Kinder, die Probleme mit dem Sprechen und Lesen von Englisch haben. Mit diesen Kindern hatten wir dann kleine Unterrichtsstunden in Kleingruppen, haben Arbeitsmaterialien vorbereitet und kleine Lernspiele mit ihnen gespielt.  Aber neben dem Unterricht und den Veranstaltungen mit fremden Kindern und Jugendlichen, nahmen wir auch an Workshops der NGO zum Thema Kindesmissbrauch teil. Das ist nämlich leider immer noch ein bestimmendes und großes Thema auf den Philippinen.

abgehn!: Wie erging es euch in der Kommunikation und im Umgang mit den Filipinos?

Lena: Obwohl Englisch dort aufgrund der Kolonialzeit der Amerikaner eine dominierende und verbreitete Sprache ist, mit der wir auch überwiegend kommuniziert haben, hatten wir oft Probleme mit Mimik, Gestik und Sprachkultur.

In der philippinischen Kultur wird dauerhaft gelächelt und man tritt seinen Mitmenschen immer lächelnd und freundlich gegenüber. Das ist zwar eine sehr schöne Eigenschaft, hat uns aber auch oft verwirrt. Denn ein „Nein“ wird dort kommuniziert wie ein „Ja“. So kam es oft zu Irritationen.

abgehn!: Was nimmst du für dich persönlich von der Reise mit?

Lena: Ich kann das gar nicht so einfach sagen, weil ich so unglaublich viel für mich gelernt habe. Aber ich denke, dass ich insgesamt offener gegenüber Kulturen und Lebensweisen geworden bin. Und ich versuche seitdem positiver durch das Leben zu gehen und den Mitmenschen öfter mit einem Lächeln zu begegnen.

Außerdem lernt man dort sehr schnell, dass alltägliche Dinge, wie wir sie in Deutschland und Europa vorfinden, bei Weitem keine Selbstverständlichkeit sind. Privilegien, wie wir sie haben, sind dort nicht gegeben.

abgehn!: Was war der schönste Moment für dich?

Lena: Es waren so viele tolle Erfahrungen und Erlebnisse. Da kann ich nicht einen einzigen Moment hervorheben. Aber ein Abend bleibt mir trotzdem besonders schön in Erinnerung. Wir hatten eine Weihnachtsfeier mit allen Schülern, die sehr schön und vollkommen besonders war. Es war eher ein riesiger Kindergeburtstag mit viel Essen, Spaß, Auftritten, Spielen und guter Laune. Die Lehrer der Schule organisieren es jedes Jahr und spenden den Schülern ein riesiges Mahl. Es war wunderschön, mit anderen über deren Weihnachtstraditionen zu sprechen und zu sehen, wie die Kinder das Weihnachtsfest genießen.

abgehn!: Würdest du so etwas wieder tun bzw. hat es die Reiselust in dir geweckt?

Lena: Auf jeden Fall. Es war eine tolle Erfahrung und eine prägende Entscheidung für mich. Ich hätte die Zeit nach dem Abitur nicht besser nutzen können. Diese Zeit hat mir die Angst vor dem Reisen genommen und mich dazu motiviert, noch viele andere Flecken dieser Erde zu bereisen. Als Ziel für eine nächste Reise könnte ich mir beispielsweise Afrika gut vorstellen.

abgehn!: Gab es Einschränkungen aufgrund von Corona?            

Lena: Die ersten Monate war alles gut, da wir ja schon im August 2019 dorthin gereist sind. Aber durch die geografische Nähe zu China kamen die Nachrichten und die Angst vor einer Infektion dann doch relativ schnell zu uns. Es fing erstmal ganz harmlos damit an, dass wir vor den Einkäufen Fieber gemessen bekommen haben und entwickelte sich relativ schnell zu einer ungemein gruseligen Situation. Das Militär fuhr auf und wir wurden in einem Rückholflieger des Bundesministeriums abgeholt. Einige andere Reisende kamen gar nicht schnell genug von der Insel und mussten erstmal dort bleiben, aber wir hatten wirklich großes Glück. Wir waren zwar glücklich über den Umstand, sicher nach Hause zu kommen, aber es war schade, dass eine so tolle Erfahrung, so abrupt und ohne wirkliche Verabschiedung enden musste.

abgehn!: Stehst du noch in Kontakt mit Einheimischen und anderen, die mit dir gereist sind?

Lena: Das ist sehr unterschiedlich. Mit einigen ist der Kontakt bis auf wenige Konversationen über Social Media eher abgebrochen. Andererseits habe ich dort auch eine meiner besten Freundinnen kennengelernt und stehe bis heute in engem Kontakt mit ihr.

Vielen Dank für das Interview, Lena.